Lernen in der Landschaft
Neue Arten des Lernens benötigen andere Räume. Die Architekten Marx / Ladurner gestalteten ein Grundschulgebäude in der Südtiroler Gemeinde Eyrs, das selbstständiges Lernen unterstützt und klassenübergreifenden Austausch ermöglicht.
Neue Arten des Lernens benötigen andere Räume. Die Architekten Marx / Ladurner gestalteten ein Grundschulgebäude in der Südtiroler Gemeinde Eyrs, das selbstständiges Lernen unterstützt und klassenübergreifenden Austausch ermöglicht.
Das neue Schulgebäude ist ein besonderes Aushängeschild des Dorfes. Es steht der jüngsten Generation zur Verfügung, die hier lernt – und zwar am besten fürs Leben. Diesbezüglich befindet sich heute die gesamte Bildungslandschaft im Umbruch. Die Art und Weise, wie Kinder bestmöglich und gerne lernen, wie ihr Interesse geweckt und gefördert werden kann, wird überdacht. Bildung findet nicht mehr nach der alten Schule – à la Frontalunterricht – statt, sondern folgt einem vielfältigeren pädagogischen Konzept, das auf informelles Lernen, Selbstständigkeit, Austausch untereinander und spielerische Aktivitäten setzt. Auch bei der Grundschule in Eyrs ist das das zugrunde liegende Konzept.
Der ehemalige Schulbau, der sich an derselben Stelle befunden hat, ist zu klein geworden. Die Gemeinde entschied sich dazu, ihn durch einen Neubau zu ersetzen. Nach dem Wettbewerbsgewinn wurde 2018 mit dem Bau der neuen Grundschule begonnen. Sie bildet heute zusammen mit dem benachbarten Kindergarten einen Mini-Bildungscampus. Die Hanglage wird dabei genutzt, um beide Einrichtungen miteinander zu verbinden. Die Turnhalle der Grundschule schmiegt sich an den Hang an. Ein Fensterband verläuft an der Fassade der hangabgewandten Seite, sodass keine Belichtung mittels Oberlichter notwendig ist. Stattdessen ergibt sich dadurch die Möglichkeit, die große Dachfläche zu bespielen. Sie ist das Bindeglied zum Kindergarten, der noch etwas weiter hangaufwärts liegt. Als begehbarer Dachgarten mit Spielplatz dient die Dachfläche der Turnhalle den Kindergartenkindern zum Spielen und Toben.
Um die Aussicht auf die herrliche Berglandschaft für den Kindergarten nicht zu verstellen, ist das eigentliche Schulgebäude längsgerichtet und gegen den Hang gedreht. Ein kleiner Vorplatz und Einschnitt ins Gebäude markieren den Eingang zur Schule. An dieser Stelle verläuft das Fensterband der Sporthalle, das erlaubt, in ihr Inneres zu blicken. Eine Sitzbank lädt dazu ein sich niederzulassen und den Sporttreibenden zuzusehen und sie anzufeuern.
Einblicke und Ausblicke sind ein zentrales Motiv des Schulgebäudes. Die beiden Geschosse der Schule besitzen südseitig ähnliche Fensterbänder, die ebenso durch vertikale Holzelemente strukturiert sind. Sie machen klar, dass der zweigeschossige Schulbau und die Turnhalle zusammengehören und verbinden sie zu einem Gebäude. Auch die Materialkombination aus Sichtbeton und Holz eint beides miteinander. Diese setzt sich dann im Inneren der Schule fort.
Drinnen sticht vor allem die Großzügigkeit und das unterschiedliche Angebot an Lernplätzen für die Kinder hervor. Reine Erschließungsflächen gibt es nicht. Jeder Weg zu den Klassenräumen schließt gleichzeitig auch andere Aufgaben in sich ein. Die fünf Klassenräume – einer im Erdgeschoss, vier im Obergeschoss – bilden ein aufgelockertes Gefüge. Sie sind nicht streng aneinander gereiht, eher erweitert sich zwischen ihnen die Wegfläche immer wieder zu größeren Aufenthaltsbereichen. Jeder Klassenraum besitzt einen direkten Zugang zu einem dieser Bereiche. Sie können nicht nur für Pausen genutzt werden, sondern auch als Erweiterung des Klassenraumes. Durch dieses Raumangebot kann Schule anders stattfinden. Hier treten auch Kinder aus verschiedenen Klassen miteinander in Kontakt und tauschen sich aus. Ihnen wird dafür eine zwanglose Umgebung geboten, ebenso können sie sich hier zurückziehen, um selbstständig zu arbeiten. Die informellen Aufenthaltsbereiche sind zwar nur ein kleiner räumlicher Eingriff, können aber viele Möglichkeiten für eine Unterrichtsgestaltung nach anderen pädagogischen Gesichtspunkten bieten. Einen wichtigen Beitrag zum Lernen leistet auch der Ausblick. Die Landschaft ist in allen Räumen präsent und unterstützt das Schaffen einer ausgeglichenen Lernatmosphäre.
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Fotos: Samuel Holzner