Low Budget, maximum Impact

Von Nachbar:innen und Stammgästen zum praxisorientierten Kreativ-Team für einen Gastwirt in Not: Als die Innsbrucker Plansch Bar im Stadtteil Saggen einen neuen Standort suchte und mit den um die Ecke liegenden Bögen auch fand, zögerte das junge Architekten-Duo Stephanie und Alexander Topf nicht, um mit ihrer Expertise in die Presche zu springen.

Low Budget, maximum Impact

Von Nachbar:innen und Stammgästen zum praxisorientierten Kreativ-Team für einen Gastwirt in Not: Als die Innsbrucker Plansch Bar im Stadtteil Saggen einen neuen Standort suchte und mit den um die Ecke liegenden Bögen auch fand, zögerte das junge Architekten-Duo Stephanie und Alexander Topf nicht, um mit ihrer Expertise in die Presche zu springen.

 


Stephanie Topf und Alexander Topf betreiben gemeinsam ein multidisziplinäres Studio mit Sitz in Innsbruck, das medienübergreifend in den Bereichen Architektur, Design, Kommunikation und darüber hinaus aktiv ist.

 

Das mehr als 1,5 Kilometer lange Eisenbahnviadukt, das sich – bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut – quer durch Innsbruck zieht, umfasst 178 Bögen, die von der ÖBB größtenteils zur gewerblichen oder gemeinnützigen Nutzung vermietet werden. So auch die Bögen 68 & 69, die sich jeweils durch zwei hintereinanderliegende, zweiseitig öffenbare Bogenräume auszeichnen. Als sie im Zuge der Renovierung der Bogenmeile neu vermietet wurden, griff der Betreiber der Plansch Bar beherzt zu, um dort sein neues Lokal einzurichten.

 


„Architekturschaffen ist ein dynamischer Prozess, sowohl im Projektalltag als auch generell in der beruflichen Praxis – unser Beruf ist geprägt von permanenten Auf und Abs. Jeder Tag bringt neue Herausforderungen und Fragestellungen, die man oft nicht eindeutig und sofort beantworten kann. Durch die Auseinandersetzung mit allen Teilbereichen der Architektur entsteht ein ganzheitlicher Blick auf die Disziplin und die vielfältigen Zusammenhänge und Verbindungen.”

Stephanie Topf, Alexander Topf

 

Alles ist Architektur …

„Nachdem der Gastwirt die Zusage und einen Mietvertragsentwurf erhalten hatte, bat er uns zu prüfen, welche Kosten auf ihn zukommen würden und ihn bei der Umsetzung und Planung zu unterstützen – ein Freundschaftsdienst, das Geld war knapp“, erinnern sich Stephanie und Alexander Topf an den Startschuss des Projekts zurück. Möglich wäre eine so intensive gemeinsame Planungs- und Konzeptionsphase für das Duo aus heutiger Sicht nur gewesen, da der Auftrag in die Zeit der Corona-Phase gefallen sei.

„Zusätzlich zur klassischen Architekturarbeit haben wir bestehende Lieferketten geprüft, Speisen, Getränke und Angebote besprochen, Materialmuster bestellt, das Logo und die CI/CD überarbeitet, parallel dazu Fördermöglichkeiten und Sponsorings ausgelotet und Gespräche mit potentiellen Partnerfirmen geführt, die ein solches Vorhaben vorantreiben könnten“, schildert das Duo, wie alle Hebel in Bewegung gesetzt wurden, um ein so spannendes Projekt trotz begrenztem, budgetärem Rahmen erfolgreich durchführen zu können.

 

 

… und Reduktion das einzige Mittel

Während das neue Lokal im neun Meter tiefen Bogenteil entstehen sollte, wurde der zweite, fünf Meter tiefe Bogen bewusst als gedeckter, unkonditionierter Freibereich inszeniert. Die südseitige Loggia fungiert als witterungsgeschützte Pufferzone zum öffentlichen Raum, die eine ganzjährige Nutzung des Außenbereichs ermöglicht. Obwohl die Bar selbst nur eine Fläche von 60 m² aufweist, bestand das Ziel darin, räumliche Großzügigkeit zu generieren. Die Lösung: eine Verschränkung des Gastraums mit dem Schankbereich sowie eine Minimierung der erforderlichen Infrastruktureinbauten. Die beidseitig angeordneten großformatigen Schiebetüren ermöglichen zudem, sofern es die Witterung zulässt, die vollständige Öffnung zum umgebenden Stadtraum und erweitern damit den Gastraum direkt in den öffentlichen Raum.

Eine wichtige Intention war es, die typische Höttinger Breccie des Bestandes – eine graubraun bis rötlichbraune, grob und poröse Kalkbrekzie – nicht zu verstecken, sondern die Farbe aufzugreifen und im Gastraum zu zeigen und durch die Möblierung bewusst zu verstärken. Die Identität des Raumes bleibe so erhalten, erklären Stephanie und Alexander Topf und fügen hinzu: „Oft können und wollen wir als Planer:innen den späteren Nutzer:innen nur bis zu einem gewissen Punkt vorgeben, wie sie sich die von uns gestalteten Räume aneignen, allerdings verträgt ein robustes Grundkonzept auch die ein oder andere Abweichung vom ursprünglichen Gedanken.” So nehmen sich die in Schwarz gehaltenen Einbauten bewusst zurück und werden ergänzt durch einzelne Möbelstücke in Zartrosa sowie kleine Details, wie ein typisches, kurdisches Musikinstrument, einen goldenen Spiegel und ein Bücherregal, die in Rückbesinnung an vergangene Zeiten aus der alten Bar mitgenommen wurden.

„Im Sinne einer möglichst budgetschonenden Umsetzung haben wir von Beginn an lokale Partner:innen mobilisiert. Kurze Lieferketten sowie einfache und praktische Möbel – möglichst aus Holz – standen dabei auf unserem Wunschzettel“, so die Architekten. Ein Tischler aus einem Nachbarbogen fertigte dankenswerterweise die Einbauten aus mattschwarz lasiertem Seekiefer-Sperrholz relativ preisgünstig für das Lokal an – echte Handarbeit, die trotz Reduktion ein Gefühl von Wertigkeit vermittelt. Die wenigen Möbel, die bestellt und nicht selbst produziert wurden, lieferte und montierte ein lokaler Auftragnehmer. „Auch der Tresen wurde von einem Innsbrucker Unternehmen nach unseren Vorgaben gefertigt und die Arbeitsfläche vor Ort gegossen – ein Versuchsobjekt und daher um einiges preisgünstiger als marktreife Produkte.“

 

 

Ein Ort der Gastlichkeit und ein Ort zum Nachdenken

„Wenn man abends am Lokal vorbeifährt, ist dieses in ein angenehmes, gedimmtes, weiches Licht gehüllt, das den Bogen sanft flutet, Innen und Außen nur unscharf voneinander trennt“ sagen Stephanie und Alexander Topf. Diesen Effekt erzielt eine exakt über dem fünf Meter langen Bartresen positionierte Hängeleuchte, welche diesen nach unten blendungslos ausleuchtet und zur Decke hin als diffuser Reflektor für den gesamten Viaduktbogen und darüber hinaus wirkt.

„Es gibt Räume, die einen Geist ausstrahlen, ohne, dass man als Gestalter:in eingreifen muss. Erst danach kommt für uns die Gestaltungsidee hinzu, die zugegebenermaßen Haltung besitzen muss. Haltung, nicht zu viel einzugreifen. Mut zur Zurück-Haltung sozusagen. Den Raum, Raum sein lassen. Haltung, etwas zu Ende zu denken, trotz schwieriger budgetärer und zwischenmenschlicher Umstände. So ein Raum ist der Viaduktbogen“, ziehen Stephanie und Alexander Topf von außen betrachtet ihr Résumé.

 

 

3 Fragen an Stephanie Topf & Alexander Topf

 Was war die grundlegende Gestaltungsidee und welche Rolle spielte der besondere Ort?

Low Budget, eindeutig. Oder vielleicht besser: low cost, low tech, maximum impact. Entscheidend für uns war, dass dieses Projekt absolut kostensparend sein musste, denn der Betreiber musste aus der Not heraus die Location wechseln. Unser Honorar setzte sich daher aus Bier und Wein zusammen. Aus dieser Not hat sich dann eine Tugend entwickelt.

Welche Herausforderungen oder auch Chancen bringt ein solches Projekt mit sich?

Im Grunde erfordert ein konsequenter Low-Tech-Ansatz die Bereitschaft zur Radikalität im Umgang mit Material und Normen. Man weiß oft zu Beginn des Prozesses noch nicht zu 100 Prozent, ob das gewünschte Ergebnis in Bezug auf Qualität und Ästhetik auch tatsächlich erzielt werden kann. Es gibt genügend Schlupf­löcher, die es erlauben, Projekte kostenoptimiert umzusetzen. Man muss aber vor allem die richtigen Professionisten an der Hand haben, die bereit sind, die gewohnten Pfade zu verlassen. Dankenswerterweise hatten wir auch bei diesem Projekt die Möglichkeit, mit solchen Menschen zusammenzuarbeiten.

Welche Rolle spielt eine persönliche Beziehung zum Bauherren in euren Augen?

Wir denken, dass eine solche Konstellation manchen Projekten gut tun kann, aber nicht immer muss. Wo Licht ist, da ist immer auch Schatten. Letztendlich ist unser architektonischer Anspruch der, dass ein Raum als Raum wirkt, den sich Menschen aneignen müssen. Wenn dieser dann noch immer – oder sogar trotzdem – funktioniert, hat man wahrscheinlich etwas richtig gemacht. Daher ist das Projekt bei uns auch unter dem Namen „Bogen 68&69“ verankert. Der Ort war lange vor uns da und wird überdauern – egal, wie er bespielt wird. Wir haben jedenfalls die Erfahrung gemacht, je persönlicher die Beziehung zu den Bauleuten wird, desto komplexer kann sich ein Projekt in der Umsetzung gestalten – in positiver wie negativer Hinsicht.

www.topf.studio

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Text: Linda Pezzei 
Fotos: Alexander Topf, Ramazan Kires