Rigoros nachhaltig

Mit der Erweiterung der im Osten Londons situierten und unter Denkmalschutz stehenden Lea Bridge Library um ein Café und einen flexiblen Gemeinschaftsraum mit optimierter Anbindung an die Gärten der Bibliothek ist es dem in London ansässigen Architekturbüro Studio Weave gelungen, das bürgerliche Herz des Stadtbezirks Waltham Forest wieder zum Schlagen zu bringen.     Im […]

Rigoros nachhaltig

Mit der Erweiterung der im Osten Londons situierten und unter Denkmalschutz stehenden Lea Bridge Library um ein Café und einen flexiblen Gemeinschaftsraum mit optimierter Anbindung an die Gärten der Bibliothek ist es dem in London ansässigen Architekturbüro Studio Weave gelungen, das bürgerliche Herz des Stadtbezirks Waltham Forest wieder zum Schlagen zu bringen.

 

 

Im Zuge einer Phase des kulturellen Wachstums und Wandels rund um die im Londoner Stadtteil Waltham Forest gelegene Lea Bridge Road, ergründete das ortsansässige Studio Weave die sich verändernde Rolle einer Bibliothek in der modernen urbanen Infrastruktur und konzipierte, basierend auf den eigenen Erkenntnissen, einen neuen Flügel, der sowohl Raum zum Studieren und Lernen als auch für Kommunikation und Beisammensein bietet.

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Blick ins Grüne
Der neu geschaffene Anbau schmiegt sich an die Rückseite der bestehenden Bibliothek im edwardianischen Stil aus rotem Backstein und nimmt die westliche Grenze des Geländes ein, um sich gleichzeitig in Richtung der Grünfläche der angrenzenden Friendship Gardens zu orientieren. Eine bestehende Gartenmauer diente den Architekten als strukturelles Rückgrat und schafft eine offene Verbindung zu den Gärten. Die Überkopfverglasung und die schwebende Decke aus Holzlatten werden von auskragenden Balken aus hochfestem Furnierschichtholz getragen, sodass die vom Boden bis zur Decke reichende Verglasung entlang der gesamten Ostfassade ungestörte Ausblicke eröffnet und eine visuelle und physische Verbindung zu den Friendship Gardens herstellt.

 

 

Reminiszenz an den Backstein
Die Gestalt des stringenten, rechteckigen Grundrisses, die nur durch einen markanten halbkreisförmigen Glasausschnitt aufgelöst wird, ist das Ergebnis der Reaktion der Architekten auf den Baumbestand. Hier wölbt sich der Pavillon nach innen und erhebt sich über das Wurzelwerk einer nahe gelegenen alten Linde. Eine schwenkbare Holztür teilt den Raum an dieser Stelle in zwei Bereiche und bildet einen multifunktional nutzbaren Raum für die Gemeinschaft. Ein mit einem sanft abgestuften Natursteinweg versehener Säulengang erstreckt sich über die gesamte Länge des neuen Erweiterungsbaus und bildet einen ebenen Zugang zum hinteren Veranstaltungsraum aus. Die markante, in der Horizontalen zickzackförmig gestaltete Fassade aus roten Betonfertigteilen und Säulen ist eine Reminiszenz an den Farbton des in der bestehenden Bibliothek verwendeten Ziegels und verbirgt zugleich die technische Ausrüstung, die das Regenwasser auffängt und zu den Baumwurzeln unter dem Gebäude ableitet.

 

 

Frei zugänglich
Da die Zugänglichkeit für die Architekten von zentraler Bedeutung für die Akzeptanz und die Nutzung des Lea Bridge Library Pavillon war, sahen die Planer zwei neue Zugänge vor, um die Besucher durch die Gärten auf die Rückseite des Geländes zu führen und so die Ruhezone der Bibliothek zu wahren. Das Foyer umfasst ein Café sowie eine durchgehende Wand aus kannelierten Holzbalken, die Bücherregale mit eingebauten Sitzbänken geschickt kombiniert, so dass dazwischen Lese-“Räume“ entstehen. Der offene Grundriss ermöglicht zudem im Laufe des Tages eine Reihe unterschiedlicher Kultur-, Freizeit- und Gemeinschaftsaktivitäten für verschiedene Zielgruppen.

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Ein zweites Leben für Londoner Stadtbäume
Der rigorose Ansatz der Architekten in Bezug auf das Thema der Nachhaltigkeit ist im gesamten Gebäude zu spüren. So profitiert der Gemeinschaftsraum von einer durchdachten passiven Kühlungsstrategie, die durch eine mechanische Belüftung mit Wärmerückgewinnung ergänzt wird. Die sorgfältig durchdachte Positionierung der Decke schützt den Boden aus Waschbeton vor direkter Sonneneinstrahlung und die durchgehende Glaswand lässt sich in bestimmten Abständen öffnen, um eine natürliche Querlüftung zu ermöglichen.

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Auch der Aspekt der Wiederverwendung und der CO2-Einsparung spielte bei der Umsetzung eine tragende Rolle. So stammt das gesamte für den Innenausbau und die Möbel verwendete Holz von Bäumen, die auf öffentlichen Straßen und in Parks in ganz London aus Gründen der Sicherheit oder der Straßeninstandhaltung gefällt wurden und sonst vernichtet worden wären. Das betrifft an einem durchschnittlichen Tag 27 Bäume. Die Architekten konnten das Holz für ihr öffentlich finanziertes Bibliotheksprojekt kostenlos verwenden, indem sie die Logistik organisierten. So spiegeln die Hölzer der Londoner Platane, Pappel, Esche, Steineiche, Truthahn-Eiche und des Mammutbaums sowie Relikte der Rosskastanie und anderer Baumarten nun im Innenraum der Lea Bridge Library die reiche Vielfalt an Texturen und Farbtönen der gewachsenen urbanen Natur in den maßgefertigten Einbaumöbeln und losen Möbeln wider.

Damit dient das Projekt als ein wichtiger Bestandteil der kulturellen Erneuerung des Stadtbezirks Waltham Forest, während das Studio Weave bereits an der zweiten Phase der Bibliotheksentwicklung arbeitet, die eine umfassende Neugestaltung des Gartens sowie zusätzliche Spieleinrichtungen vorsieht und bis zum Sommer 2023 abgeschlossen sein soll.

 

 

Lea Bridge Library
London, UK

Bauherr: London Borough of Waltham Forest
Planung: Studio Weave
Statik: Timberwright

Grundstücksfläche: 1.660 m2
BGF: 234 m2
Planungsbeginn: Mai 2019
Fertigstellung: September 2022
Baukosten: £714.000

www.studioweave.com

 

 

Text: Linda Pezzei
Fotos: Jim Stephenson