Rückeroberung des Stadtraums
Das "Urban Farming Office" von VTN Architects stellt einen Versuch dar, der Verstädterung von Vietnams Metropolen - wie auch am Standort in Ho-Chi-Minh-Stadt - sowie dem Verlust der Tropenwälder entgegenzuwirken. Ziel des Projekts ist es, der Stadt Grünflächen zurückzugeben und die autarke Lebensmittelproduktion zu fördern.
Das „Urban Farming Office“ von VTN Architects stellt einen Versuch dar, der Verstädterung von Vietnams Metropolen – wie auch am Standort in Ho-Chi-Minh-Stadt – sowie dem Verlust der Tropenwälder entgegenzuwirken. Ziel des Projekts ist es, der Stadt Grünflächen zurückzugeben und die autarke Lebensmittelproduktion zu fördern.
Das ehemalige Saigon ist mit seinen knapp neun Millionen Einwohnern nicht nur die größte Stadt Vietnams, sondern auch das wirtschaftliche Zentrum des Landes. Heute unter dem Namen Ho-Chi-Minh-Stadt bekannt, verfügt die Metropole – abgesehen von der Kernstadt – über kein zusammenhängendes Stadtgebiet und wird eher von ländlichen Siedlungsstrukturen dominiert. Trotz dieser etwas provinziellen Anmutung – wir reden hier immer noch von einem sehr dicht besiedelten Gebiet – leidet auch die als Verkehrsknoten und Kulturzentrum fungierende Industriestadt nördlich des Mekong-Deltas unter einem zunehmenden Verlust an unberührten Naturlandschaften.
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Ein Problem, das auch die ortsansässigen VTN Architekten erkannt haben. Denn der Mangel an Grünflächen führt zu Luftverschmutzung, Smog, Überschwemmungen und Wärmeinseln. Den jüngeren Generationen, welche die städtischen Gebiete bewohnen, fehlt in Folge die Verbindung zur Natur. Darüber hinaus sieht sich das Land im Zuge einer wirtschaftlichen Neuausrichtung mit tiefgreifenden Veränderungen konfrontiert, denen letztlich die Umwelt Tribut zollen wird. Zunehmende Dürreperioden, Überschwemmungen und Versalzung gefährden außerdem die Nahrungsmittelversorgung.
Unter diesen Prämissen beschäftigt sich das Team von VTN Architects bereits seit 2006 mit innovativen Lösungsansätzen, setzt dabei auf üppig bepflanzte Mauern, hängende Gärten oder natürliche raumbildende Elemente wie Bäume, Steine und versunkene Landschaften. Traditionelle vietnamesische Bautechniken und lokale Materialien verweben die Architekten im Sinne einer „grünen Architektur“ mit modernen Materialien und Methoden zu einer zeitgenössischen und zukunftsgewandten Designsprache.
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Wenig verwunderlich, dass das neue Headquarter von VTN Architekten daher den Mitarbeitern nicht nur ein inspirierendes und angenehmes Arbeitsumfeld bieten sollte, sondern unter dem Motto „Urban Farming Office“ einen Versuch wagt, die bestehende Situation bewusst zu ändern. Das Bürogebäude befindet sich in einem neu erschlossenen Gebiet in Ho-Chi-Minh-Stadt nahe des Song Sai Gon Flusses, der sich durch die Stadt schlängelt. Das Bauwerk dient als eindrucksvolle Demonstration, wie das vertikale Urban Farming der Zukunft aussehen kann: Die Fassade besteht aus hängenden Pflanzkästen, die verschiedenen lokalen Pflanzen einen Lebensraum mit ausreichend Sonnenlicht bieten. Neben der Möglichkeit, mitten in der Stadt Nutzpflanzen zu kultivieren, trägt die grüne Fassade bei minimalem Energieverbrauch zu einer positiven Einflussnahme auf die Umgebung bei. Hitzeinseln können dadurch reguliert, Feinstaub gebunden und angenehme innerstädtische Aufenthaltsräume geschaffen werden.
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Ökologische Strategien
Die „vertikale Farm“ schafft aber auch ein angenehmes Mikroklima innerhalb des gesamten Gebäudes. In Verbindung mit der Verglasung filtert die Vegetation das direkte Sonnenlicht und reinigt die Luft, die durch die Verdunstung von gespeichertem Regenwasser abgekühlt wird. Um spätere Erweiterungsmöglichkeiten offen zu lassen, wurde die Nordwand relativ massiv ausgeführt und weist nur kleine Öffnungen zur Verbesserung der Querlüftung auf. Konzipiert als zweischichtiges Ziegelmauerwerk sorgt eine Luftschicht im Inneren der Wand für eine Verbesserung der Isolierung. All diese Maßnahmen tragen in ihrer Gesamtheit dazu bei, den erforderlichen Einsatz von Klimaanlagen zu reduzieren.
Landwirtschaftliches System
Die vertikale Vegetation fußt auf einer einfachen Konstruktionsmethodik und besteht aus einer Betonstruktur, Stahlträgern und modularisierten Pflanzkästen, die individuell eingehängt und je nach Höhe und Wuchsbedingungen der Pflanzen flexibel angeordnet werden können. Gemeinsam mit dem Dachgarten und den geerdeten Grünflächen sorgt das System für einen Grünanteil von knapp 190 Prozent gemessen an der Grundstücksfläche. Dies entspricht wiederum einer Ernte von ca. 1,1 Tonnen an Erträgen. Verschiedene einheimische essbare Pflanzen wie Gemüse, Kräuter und Obstgewächse spiegeln dabei die Artenvielfalt der Region wider und tragen zu einer Wertschätzung der produzierten Nahrungsmittel bei. Der Anbau erfolgt – selbstverständlich – rein biologisch.
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Urban Farming Office
Ho-Chi-Minh-Stadt, Vietnam
Bauherr: VTN Architects
Planung: VTN Architects (Vo Trong Nghia Architects)
Mitarbeiter: Vo Trong Nghia, Nobuhiro Inudo, Tran Vo Kien, Le Viet Minh Quoc, Nguyen Tat Dat
Grundstücksfläche: 300 m2
BGF: 1.386 m2
Fertigstellung: 08/2022
Text: Linda Pezzei
Fotos: Hiroyuki Oki