Vom Richtigen gerade genug
Interview: Tischler, Architekt, Lichtdesigner - wenn Georg Bechter über Licht spricht, fallen Schlagworte wie Atmosphäre, Funktion, Wohlfühlfaktor. Das technische Leuchtobjekt ist für Bechter dabei nur Mittel zum Zweck, "gutes Licht" ohnehin selten sicht-, sondern vielmehr nur unterbewusst wahrnehmbar. Auch wenn Bechter bereits zahlreiche Projekte aus Design, künstlerischen Installationen und Möbeln bis hin zu avantgardistischer Architektur realisiert hat, der größte atmosphärische Effekt entsteht für den Lichtdesigner erst durch die Beleuchtungssituation.
„Wir brauchen im Allgemeinen nicht mehr Licht, sondern vielmehr das Richtige“, sagt Georg Bechter, Geschäftsführer von GEORG BECHTER LICHT. Der Architekt und Lichtdesigner findet seinen Antrieb in der Verbindung zur Architektur und in seiner Sensibilität für die räumliche Gestaltung. „Im gesamten Raum liegen die Perspektiven, die von Lichtquellen ausgehen, offenbar. Deshalb gehören architekturaffine Ansätze zur Suche nach Lösungen in der Beleuchtungsplanung für uns immer dazu.“
Tischler, Architekt, Lichtdesigner – wenn Georg Bechter über Licht spricht, fallen Schlagworte wie Atmosphäre, Funktion, Wohlfühlfaktor. Das technische Leuchtobjekt ist für Bechter dabei nur Mittel zum Zweck, „gutes Licht“ ohnehin selten sicht-, sondern vielmehr nur unterbewusst wahrnehmbar. Auch wenn Bechter bereits zahlreiche Projekte aus Design, künstlerischen Installationen und Möbeln bis hin zu avantgardistischer Architektur realisiert hat, der größte atmosphärische Effekt entsteht für den Lichtdesigner erst durch die Beleuchtungssituation. 2010 gründete der erfinderische Geist daher GEORG BECHTER LICHT in seiner Heimat, dem Bregenzerwald, Tür an Tür mit seinem Architekturbüro. Beide Unternehmen wurden seither für ihre ideenreichen Entwürfe mehrfach ausgezeichnet. Im Interview spricht Georg Bechter über die Beziehung von Architektur und Licht und deren wachsende Relevanz für Bauherren und Nutzer.
Wie beeinflusst Licht in Ihren Augen die Wahrnehmung von Architektur?
Als Architekt steht für mich das natürliche Licht am Anfang allen Planens. Dabei geht es um eine gewisse Tageslichtführung und die Frage, auf welche Weise das Licht in den Raum tritt, wie sich die Beziehung zwischen dem Innen und Außen gestaltet, welche räumliche Interaktion zustande kommt. Was das künstliche, beziehungsweise mit Leuchtkörpern produzierte, Licht anbelangt, lerne auch ich jeden Tag noch dazu. In meinen Augen ist künstliches Licht nur eine weitere Möglichkeit, einen Raum im Detail zu modellieren, ihn in seinem Wesen zu schärfen. Dabei geht es nicht nur um die Helligkeit, sondern neben Licht und Leuchtquellen auch um die Lichtplanung und -gestaltung. Licht kann die Intention eines Raumes unterstützen und eine Atmosphäre schaffen, welche Räume aufwerten kann.
Denkwerkstätte Hittisau: Aus einem Kuhstall wurde eine moderne Manufaktur und Denkwerkstatt, die von innen heraus leuchtet.
Können Sie einige Beispiele nennen, wo Licht in der Architektur auf innovative Weise inszeniert wird?
Das erste Bild, das mir da vor Augen kommt, ist die Kapelle Notre-Dame-du-Haut de Ronchamp von Le Corbusier – bei dessen Werken die Lichtführung generell eine große Rolle spielt. Mehr als konkrete Projekte fallen mir aber Situationen ein, in denen ich merke, dass Licht einfach extrem wichtig ist. Gerade, wenn es um die Beherbergung oder Gastronomie geht, ist man da sehr sensibel geworden. Die Bauherren möchten eine bestimmte Atmosphäre kreieren, beispielsweise mit einer gezielt über dem Esstisch platzierten Leuchte. Das Erlebnis steht dabei im Vordergrund: wie sich der Raum zurücknimmt, das Licht mein Gegenüber schmeichelhaft inszeniert, das Weinglas brillieren und den Salat besonders knackig erscheinen lässt. Dabei geht es auch um Intimität. Was so entsteht, ist eine sehr komplexe Situation, die man durch das richtige Licht, die Positionierung einer Leuchte, den Abstrahlwinkel oder die Nichtblendung gezielt beeinflussen kann. So klärt sich oft recht schnell, ob wir noch eine zweite Flasche Wein trinken oder den Ort lieber verlassen möchten. Vom Restaurant abgesehen, hat man diese Art von Situation natürlich in jedem Raum – auch wenn man ein Buch im Wohnzimmer lesen will, möchte man die Buchstaben erkennen können, selbst wenn die Umgebung nicht wie untertags voll ausgeleuchtet ist. Es braucht eben immer ein ausgewogenes Verhältnis und wir müssen das Licht in den Raum integrieren. Das sind die Dinge, auf die wir in der Planung achten.
Die minimalistische Lösung für punktgenaue Beleuchtung SFERE 28 ist drehbar und schwenkbar und kam auch in der Denkwerkstätte Hittisau zum Einsatz.
Wie können verschiedene Arten von Licht (wie Tageslicht und Kunstlicht) in einem Gebäude integriert werden, um eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen?
Dafür habe ich kein Patentrezept. Generell sollten wir unsere Räume aber zuallererst nach außen hin öffnen. Dann stellt sich die Frage: kommt das Licht gefiltert, diffus, direkt und aus welcher Richtung ins Innere. So ergeben sich in Räumen auf der Nord- und Südseite bereits komplett unterschiedliche Wahrnehmungen. Die Architektur und die Funktionen beeinflussen unseren Bedarf an Licht – das diffuse Nordlicht eignet sich beispielsweise hervorragend zum Arbeiten. Wie künstliches Licht in den Raum integriert wird, hängt also auch von der Nutzung ab. Während es in Büroräumen einer gewissen Helligkeit bedarf, um unsere Augen nicht zu ermüden, gelten im Wohnbereich ganz andere Anforderungen. Wir möchten in diesem Sinne über das Licht die Funktionen, die an dieses gestellt werden, abbilden. Lichtkörper sind dabei auch Objekte im Raum, die neben ihrer Funktionalität als Gestaltungselemente fungieren. Für mich als Experten ist es aber schwierig, alle Funktionen in einem Objekt zu vereinen – daher ist unser Ansatz eher der, Räume durch integrierte, möglichst nicht sichtbare Leuchtkörper sozusagen mit Licht zu fluten. Dekorative Objekte sorgen in Ergänzung für die entsprechende Stimmung.
Wie selbstverständlich werden Licht und Beleuchtung heute in der Architektur berücksichtigt?
Grundsätzlich nehme ich den Wunsch nach gutem Licht als zunehmend wachsend wahr. Die Wichtigkeit des Gestaltungselementes und der Wille, es richtig einzusetzen, machen das Thema Licht mehr und mehr zur Profession. Ich vergleiche das gerne mit der Wahl der geeigneten Materialien oder der Definition einer Fuge oder ähnlichen Elementen in der Architektur. Wenn es um die Lichtplanung geht, herrscht häufig noch die landläufige Meinung vor: Das kann ich auch. Gerade für den Endkunden ist das schwer zu bewerten. Es ist aber zum Glück so, dass sich immer mehr Kund:innen und Architekt:innen mit dem Thema beschäftigen und letztlich die richtigen Schlüsse ziehen. Konkret gibt uns die Architektur vor, wie wir mit Licht für Atmosphäre, den Wohlfühlfaktor oder tägliche Inspiration sorgen können. Der Wissensdurst rund um das Thema Licht ist definitiv gestiegen. Man möchte verstehen, warum etwas funktioniert – oder eben nicht. Licht bewusst einsetzen zu wollen, wird mehr und mehr als Qualität wahrgenommen.
Ein Lichttrichter inszeniert nicht nur den Blick in den Himmel, sondern bringt auch reichlich Licht in den Raum.
Welche Herausforderungen sind mit der Gestaltung von Licht in öffentlichen Räumen verbunden?
Wie überall gibt es auch im öffentlichen Raum an erster Stelle eine Nutzung und Funktionsweise, dann kommt das Sinnliche dazu. Wir alle wissen, dass man sich auf einem dunklen Platz unwohl fühlt. Der Lichtplaner hat daher die Aufgabe, Emotion und Funktion in Einklang zu bringen. Gerade in der heutigen Zeit sind öffentliche Plätze stark frequentiert. Deren Wahrnehmung und Bedeutung hat in den vergangenen 20 Jahren möglicherweise sogar noch an Geltung gewonnen. Eine gute Gestaltung wird explizit nachgefragt, wobei das Licht ein sehr entscheidender Faktor ist. Dazu gehören intensive Überlegungen und es gilt, die Herausforderung zu meistern, wie mit der Natur, Insekten, Blendungen, Frost, Anwohner:innen und vielem mehr umzugehen ist. Dafür braucht es also Professionisten, welche die zahlreichen Funktionen auf ein paar Lichtpunkte konzentrieren können. Für eine Ausleuchtung oder ein gutes Gefühl, darf es an manchen Stellen auch Nacht bleiben – es muss nicht überall blendend hell sein, solange zu erkennen ist, dass ein eigener Raum geschaffen wurde.
Wie kann Licht in der Architektur dazu beitragen, das Wohlbefinden und die Gesundheit der Menschen zu fördern?
Technische Aspekte wie die Farbwiedergabe, die Mischung der Lichtanteile, die Wahl des Leuchtmittels oder die Kelvin-Anzahl sind für mich gesetzte Parameter, die heute weitgehend definiert sind. Viel wichtiger ist die sinnliche Wahrnehmung: Wie bei der Wahl und Kombination von Materialien muss sich alles im Raum zu einer Einheit fügen, damit wir uns wohlfühlen können. Das bedeutet im Einzelnen individuelle Lösungen. Für mich gehört es zur Funktion, dass sich ein Mensch im Raum gut fühlt. Ganz allgemein erleben wir das dort, wo Räume stimmig gestaltet sind – davon kann man alles ableiten. Ist beispielsweise die Blendung schlecht ausbalanciert, fühlen wir uns unsicher, müssen wir uns auf das Licht konzentrieren, strengt uns das an, ist keine Brillanz vorhanden, wirken Oberflächen stumpf und platt – wenn ich aber meine Lieblingsecke im Raum inszeniert genießen kann, kann ich entspannen. Das Wohlbefinden ist also eine der grundlegendsten Funktionen. Ergänzend sorgen lichttechnische Inszenierungen und Akzente für Atmosphäre.
Welche Trends sehen Sie in Bezug auf Licht und Architektur für die Zukunft?
Ich nehme wahr, dass es eine zunehmende Tendenz gibt, den Raum nicht allzu hell zu beleuchten. Denn viel Licht allein gestaltet noch keine Umgebung. Diese Sensibilität ist spürbar da und wachsend, gerade in der Hotellerie, Gastronomie und im Bereich Living. Relativ neu ist, dass man nun auch die Arbeitswelten nicht nur technisch und an das Tageslicht angepasst optimal ausleuchten möchte, sondern hier auch der wohnliche Aspekt mehr und mehr zum Tragen kommt. Die Atmosphäre gewinnt neben der Funktion an Wichtigkeit und die Kund:innen wollen und schätzen diese Qualität. Ich denke – und wünsche – mir, dass Licht in Zukunft zunehmend analog zum Material behandelt und ein wichtiger Aspekt in der Planung wird. Dabei wird unser Licht nicht heller oder anders, sondern differenzierter und vernünftiger werden. Denn was wir brauchen, ist nicht mehr Licht, sondern das richtige.
Interview: Linda Pezzei
Fotos: GEORG BECHTER LICHT