Architektonischer Katalysator
Was von oben betrachtet so aussieht, als hätte jemand Konfetti an die Küste der iranischen Insel Hormus gestreut, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als bunte Ansammlung kleiner Ferienhäuschen. Die 200 farbenfrohen Kuppelbauten stammen vom Büro ZAV Architects. Sie realisierten das Ensemble mit Blick auf den Persischen Golf als zukunftsweisendes Projekt, das Touristen anziehen und gleichzeitig die lokale Bevölkerung auf sozialer, wirtschaftlicher und politischer Ebene stärken soll.
Was von oben betrachtet so aussieht, als hätte jemand Konfetti an die Küste der iranischen Insel Hormus gestreut, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als bunte Ansammlung kleiner Ferienhäuschen. Die 200 farbenfrohen Kuppelbauten stammen vom Büro ZAV Architects. Sie realisierten das Ensemble mit Blick auf den Persischen Golf als zukunftsweisendes Projekt, das Touristen anziehen und gleichzeitig die lokale Bevölkerung auf sozialer, wirtschaftlicher und politischer Ebene stärken soll.
Hormus ist fast kreisrund und befindet sich südlich des iranischen Festlandes im Persischen Golf. Die sogenannte „Straße von Hormus“ gilt als eine der wichtigsten Handelsstraßen der Erdölindustrie. Aufgrund ihrer strategischen Lage ist die Insel seit langer Zeit besiedelt und das, obwohl es auf ihr weder Süßwasser noch üppige Vegetation gibt. Heute hat das Eiland keine wesentliche wirtschaftliche Bedeutung mehr, sondern ist eher als illegaler Umschlagplatz für Zigaretten bekannt. Um das zu ändern entstand der Plan, Tourismus auf Hormus zu implementieren und den rund 6.500 Einwohnern damit eine neue Perspektive mit Zukunft zu geben.
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Lediglich 7% der felsigen Insel sind besiedelt. Sie wartet trotz ihres kargen Geländes mit einer sehenswerten Naturlandschaft auf. Nicht umsonst wird Hormus auch als „Regenbogeninsel“ bezeichnet. Die Sedimentgesteine und Felsen der Berge, Hügel und Strände erstrahlen vor der Kulisse des tiefblauen Ozeans in bunten Farbtönen von Gelb bis Rot und Blau. Sie bieten das perfekte Fotomotiv und verleihen Hormus seinen einzigartigen Charme. Das iranische Architekturbüro entwarf mit der Majara Residenz ein kleines Feriendorf, das zum neuen sozialen Treffpunkt auf der beeindruckenden Insel werden soll. Es wurde so konzipiert, dass es für die Bewohner eine legale Einnahmequelle darstellt und Hormus zur attraktiven Tourismusdestination macht. Ganz nebenbei werden auf diese Weise die lokalen Gemeinschaften gefestigt.
Große Bauprojekte entstehen in dem orientalischen Land oft beeinflusst von glorifizierten, historischen Bauten und inspiriert von westlichen Vorbildern. Das resultiert in monotonen Komplexen am Strand, die wie hin und her gerissen zwischen zwei Welten wirken. Bei der Planung der Ferienanlage ging das vierköpfige Architektenteam ganz bewusst andere Wege. Sie konzentrierten sich auf den Kontext und bezogen sowohl die Umgebung als auch die Menschen in den Entwurf mit ein. Dafür beschäftigten sie sich eingehend mit dem Bauplatz und der Frage, wie Architektur nachhaltige Veränderung in ihrem Umfeld bewirken kann.
Das Ergebnis ist ein kleinteiliges Ensemble, das sich am Strand regelrecht in den Sand zu ducken scheint. Auf dem 10.000-Quadratmeter-Areal setzt es sich aus rund 200 Lehmkuppeln unterschiedlicher Größe und einer Höhe von bis zu 3,5 Metern zusammen. In kleinen Grüppchen organisiert, beinhalten sie 17 Ferienwohnungen mit Platz für über 80 Gäste, Gemeinschafts- und Restaurantbereiche, Cafés, Gebets- bzw. Versorgungsräume und eine Touristeninformation. Die einzelnen Agglomerationen sind abwechselnd in kräftiges Gelb, Rot, Blau und Grün getunkt. Mit ihrer Gestaltung passen die Kuppelbauten perfekt auf die farbenfrohe Insel. Auch in sämtlichen Innenräumen setzt sich der fröhliche Farbcode fort. Hier ziert er Wände, Böden und sogar Möbel und rundet Majara stimmig ab. Ein geschwungenes Wegesystem mit vielfältigen Außenflächen verbindet die kompakten Bauten miteinander und fungiert als Begegnungsort. Genutzt wird die Anlage sowohl von Touristen als auch von den Einheimischen selbst.
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Besonders ist nicht nur das Design der Anlage, sondern auch die Konstruktion der Kuppelhäuser. Sie beruht auf einer innovativen, von Nader Khalili entwickelten Technik namens SuperAdobe. Dabei handelt es sich um eine einfache Bauweise mit Stampflehm und Sand. Die Rohstoffe werden in kompakte Päckchen abgefüllt und ringförmig übereinandergestapelt. Zwischen die einzelnen Schichten kommt eine Bewährung aus Stacheldraht, die für Stabilität sorgt. Abschließend wird die Tragstruktur an der Außen- und Innenseite verputzt. Die Naturmaterialien garantieren in Kombination mit dem dicken Wandaufbau eine natürliche Klimatisierung der Räume. Das minimiert den Energiebedarf der Ferienresidenz. Durch die Verwendung lokaler Ressourcen können zudem weitere Kosten eingespart und Emissionen sowie Abfälle reduziert werden.
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Mit der Anlage entstanden 50 neue Arbeitsstellen. Das neue Urlaubsparadies verschaffte den Einwohnern bereits vor seiner Eröffnung Arbeit. In Abstimmung mit den Bauherren steckten die Architekten den Großteil des Budgets in die Ausbildung von Arbeitskräften vor Ort, anstatt in teure Materialien. Sie zeigten ihnen, wie sich die in der Region bekannte Kuppelbauweise in kleinem Maßstab und mit regionalen Rohstoffen einfach realisieren lässt. Das erlernte Wissen diente aber nicht nur der konstruktiven Verwirklichung von Majara, es kann im Anschluss bei zukünftigen Projekten angewendet werden und ist dadurch sehr nachhaltig.
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Die Majara Residenz ist weit mehr als nur ein Ferienkomplex – sie ist ein Stück Entwicklungsarbeit. Fernab von politischen und wirtschaftlichen Konflikten wird das multifunktionale Projekt zum neutralen Vermittler. Es bringt mit Staat, Investoren, lokaler Bevölkerung und Touristen verschiedene Interessensgruppen zusammen. Mit der modernen Interpretation der traditionellen Kuppelbauten und der Umsetzung mit lokalen Arbeitskräften und Materialien stärkten die Maßnahmen von ZAV Architects und den Auftraggebern zusätzlich das Bruttoinlandsprodukt des Landes. Die bunten Erdkuppeln demonstrieren, wie Architektur auf sozialer, kultureller und ökonomischer Ebene zum Katalysator werden und die Weichen für neue Wege in die Zukunft stellen kann.
Majara Residenz
Hormus, Iran
Bauherr: Ehsan Rasoulof, Ali Rezvani (Eigentümer)
Planung: ZAV Architects
Projektleitung: Mohamadreza Ghodousi, Fatemeh Razaei, Golnaz Bahrami, Soroush Majidi
Designteam: Sheila Ehsaei,Sara Jafari, Payman Barkhordari, Mohsen Safshekan, Kaveh Rashidzadeh, Hossein Panjehpour
Landschaft: Maryam Yousefi, Morteza Adib
Interior: Sara Jafari, Taraneh Behboud, Sara Nikkar, Mohsen Dehghan
Weitere: Soroush Majidi, Payman Barkhordari, Sheila Ehsaei, Somayeh Saeidi, Fereshteh Assadzadeh, Arshia Hashemipour, Dorsa Tavakoli, Sara Fallahzadeh
Statik: Behrang Baniadam, Rouhi Touski
Grundstücksfläche: 10.000 m2
Bebaute Fläche: 4.000 m2
Nutzfläche: 3.600 m2
Planungsbeginn: 2016
Bauzeit: 2017
Fertigstellung: 2020
Text: Edina Obermoser
Fotos: Tahmineh Monzavi, Soroush Majidi, Peyman Barkhordari