…das Gute liegt so nah
Bei den Learning Lions handelt es sich um eine Non-Profit-Organisation, die es sich zum Ziel gemacht hat, der Bevölkerung in ruralen afrikanischen Gebieten technisches Know-how zu vermitteln. Zu diesem Zweck entwickelte das Berliner Büro Kéré Architecture den Startup Lions Campus. Der IT-Campus wird nicht nur zum neuen Landmark, sondern überzeugt auch mit seinem innovativen und nachhaltigen Lowtech-Konzept.
Bei den Learning Lions handelt es sich um eine Non-Profit-Organisation, die es sich zum Ziel gemacht hat, der Bevölkerung in ruralen afrikanischen Gebieten technisches Know-how zu vermitteln. Zu diesem Zweck entwickelte das Berliner Büro Kéré Architecture den Startup Lions Campus. Der IT-Campus wird nicht nur zum neuen Landmark, sondern überzeugt auch mit seinem innovativen und nachhaltigen Lowtech-Konzept.
In den ländlichen, armutsgefährdeten Regionen Westafrikas eignen sich die mageren Böden meist nicht für Landwirtschaft, dazu kommen eine schlechte Infrastruktur und wenig Arbeitsmöglichkeiten. Vor allem die hohe Jugendarbeitslosigkeit treibt viele Bewohner in die oft weit entfernten Zentren. Die Learning Lions wollen jungen Kenianern neue Perspektiven vor Ort bieten. Dafür rief die NGO ein dreistufiges Programm ins Leben. Interessierten werden zuerst die Grundlagen der Informations- und Kommunikationstechnologie nähergebracht. Dann können die Absolventen Praxiserfahrung in der IT-Outsourcing-Agentur sammeln, indem sie mit internationalen Kunden aus der Programmier-, Grafik- und Medienbranche zusammenarbeiten. Im letzten Schritt bietet ein Inkubator alle nötigen Tools und finanzielle Mittel, um ein eigenes Start-up aufzubauen.
Mit dem neuen Startup Lions Campus realisierten die Planer rund um Diébédo Francis Kéré einen solchen Inkubator. Er liegt im nordwestlichen Kenia am Rande des Turkana-Sees in der gleichnamigen Provinz. Umgeben vom kargen, afrikanischen Grasland können Jugendliche und junge Erwachsene hier mithilfe des Erlernten aus der IT-Ausbildung ihre Ideen in die Tat umsetzen, ohne ihre Heimat verlassen zu müssen. Sie werden zu Vorbildern für die gesamte Bevölkerung und demonstrieren, dass jeder beruflich erfolgreich sein kann.
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Der 1.400 m2 große Campus schmiegt sich sanft an das leicht geneigte Gelände und bietet idyllische Ausblicke auf das große Binnengewässer. Als Inspiration für die Architektur diente die Tierwelt: Wie Termitenhügel wachsen die Türme des Komplexes in die Höhe. Sie verleihen dem Projekt nicht nur sein charakteristisches Erscheinungsbild, sondern regeln außerdem das Raumklima im Inneren. Die einzelnen Bauten reihen sich in dreieckiger Formation rund um einen zentralen Außenbereich an. Zum See hin bleibt eine Ecke unverbaut und markiert den Hauptzugang zum Gelände. Durch die kleinteilige Gestaltung lässt sich das Bildungsareal je nach Bedarf in Zukunft flexibel um weitere Gebäude erweitern.
Das Ensemble besteht aus drei großen und zwei kleinen Volumen. Während die größeren Trakte zweigeschossig ausgeführt sind, befinden sich in den beiden anderen ein kompakter Kiosk sowie administrative Räume und Terrassenflächen. Letztere werden von baldachinartigen Stahlstrukturen überspannt, die als Rankgitter für Pflanzen fungieren sollen. Die drei Hauptgebäude docken an mehreren Punkten aneinander an und werden durch Brücken und Treppen verbunden. Auf einem Baukörper gibt es eine offene Dachterrasse. Auch sie soll bald von einem grünen Blätterdach angenehm verschattet werden und als kommunikativer Treffpunkt dienen. Neben Co-Working-Spaces in den Obergeschossen, sind in den unteren Niveaus Klassenzimmer und Seminarräume untergebracht. Insgesamt umfasst der Startup Lions Campus 100 mit Computern ausgestattete Arbeitsplätze.
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Bei den verwendeten Materialien und der Konstruktion spielten verschiedene Parameter eine Rolle. Ausschlaggebend waren neben Nachhaltigkeit, auch Verfügbarkeit und Kosten. Die Wahl fiel letzten Endes auf Bruchstein. Dank des lokalen Baustoffs konnte die örtliche Gemeinschaft in die Realisierung miteinbezogen werden. Das Team von Kéré Architecture kombinierte Erfahrungen und Know-how der Arbeiter vor Ort mit seiner eigenen Expertise. Durch diese Zusammenarbeit konnte der Bildungscampus bestmöglich umgesetzt werden. Die abschließende Putzoberfläche fügt die einzelnen Bauten mit ihrer terrakottafarbenen Pigmentierung harmonisch in die Steppenlandschaft ein.
Im Gegensatz zum nötigen technischen Arbeitsequipment im Inneren des Campus wählten die Architekten für das energetische Konzept einen Lowtech-Ansatz. Dieser macht nicht nur die spätere Wartung einfacher, sondern ist außerdem selbst unter extremer Temperatureinwirkung äußerst effizient. Das Herzstück bilden die drei prominenten Türme. Sie sind schon von Weitem sichtbar, ihre eigentliche Funktion stellt aber die passive Klimatisierung des Campus dar. Mithilfe des Kamineffekts sorgen sie dafür, dass die Luft im Inneren zirkuliert. Dafür gibt es in den unteren Bereichen kleine, geneigte Fensteröffnungen. Diese garantieren eine stetige Frischluftzufuhr, die die Arbeitsräume im Inneren kühlt. Die erwärmte Luft hingegen entweicht durch eine natürliche Sogwirkung über die Kamine. In den oberen Räumen verhindern Fixverglasungen das Eindringen von – für die IT-Ausstattung – schädlichem Staub. Außenliegende Sonnenschutzlamellen halten direkte Einstrahlung ab und vermeiden Blendung an den Bildschirmen. Solarenergie deckt die Stromversorgung des gesamten Ensembles und komplettiert das ökologische System.
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Mit intelligenter Planung gelang es Kéré Architects, die natürlichen Ressourcen und die Qualitäten des Standortes zu vereinen und so eine Hightech-Ausstattung mit aufwändiger Klimaanlage überflüssig zu machen. Der Startup Lions Campus folgt dem bescheidenen Vorbild der Natur und ist gleichzeitig rundum innovativ. Er wird nicht nur zum Inkubator für die Geschäftsideen der jungen Kenianer, sondern zeigt zudem beispielhaft, wie minimale Voraussetzungen perfekt genutzt und in nachhaltige Bauprojekte übersetzt werden können. Ein guter Anreiz, um anstatt des ständigen Strebens nach „schneller, höher, weiter“ auch einmal innezuhalten und in seiner eigenen Umgebung Neues zu entdecken.
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Startup Lions Campus
Turkana County, Kenia
Bauherr: Learning Lions
Planung: Kéré Architects
Projektleitung: Kinan Deeb
Entwurfsteam: Kinan Deeb, Andrea Maretto
Mitarbeiter: Juan Carlos Zapata, Leonne Vögelin, Charles André, Malak Nasreldin
Statik & Bau: BuildX Studio
Nutzfläche: 1.416 m2
Planungsbeginn: Mai 2019
Bauzeit: 5 Monate
Fertigstellung: April 2021
Text: Edina Obermoser
Fotos: Kéré Architects