Kompromisslose Einfachheit

Zwei rechteckige Quader, bescheiden und einfach in ihrer Form. Roher Beton und verwitterter Stahl, eingebettet in die hügeligen Wiesen oberhalb des Schweizer Dorfes Lens. Die “Zwei Häuser” fügen sich ganz natürlich in die vorhandene Topographie und bieten einen herrlichen Ausblick auf das Rhône-Tal. Der Beitrag Kompromisslose Einfachheit erschien zuerst auf architektur-online.

Kompromisslose  Einfachheit

Zwei rechteckige Quader, bescheiden und einfach in ihrer Form. Roher Beton und verwitterter Stahl, eingebettet in die hügeligen Wiesen oberhalb des Schweizer Dorfes Lens. Die “Zwei Häuser” fügen sich ganz natürlich in die vorhandene Topographie und bieten einen herrlichen Ausblick auf das Rhône-Tal. Im Inneren setzen neben den klaren Formen und Oberflächen Licht und Blickachsen Akzente.

 

deux maisons / Zwei Häuser Lens, Schweiz

 

Von der rechten Seite der Rhône bis hinauf zur Bergspitze der “Bella Lui” (Schönes Licht) erstreckt sich die im Schweizer Kanton Wallis gelegene Gemeinde Lens. Sattgrüne Wiesen säumen die Ausläufer des Gebirgszugs, auf denen sich verstreut Siedlungen verteilen. Ganz in der Nähe befindet sich auch der bekannte Kurort Crans-Montana.

Von einer Wiese, hoch über Lens, blicken zwei Baukörper selbstbewusst hinab auf das Rhône-Tal. Die in der Umgebung ansässigen Planer von Savioz Fabrizzi Architectes entwarfen für den privaten Bauherren ein ganz besonderes Wohnobjekt: herrlich schlicht in der Form, dennoch markant und gleichzeitig fast zaghaft in das Gelände geschnitten. Der Entwurf entspricht zur Gänze dem Arbeitsansatz der Architekten: Basierend auf der Analyse eines Standorts in seinem natürlichen oder gebauten Zustand sollen die wesentlichen Elemente ermittelt werden, die einen Ort möglicherweise neu bewerten, erhalten oder qualifizieren.

 

 

Im Falle der Zwei Häuser lag die Antwort auf den Bauplatz und die Kulturregion in einer Parallelepiped-Form mit Satteldach, dank derer sich die Volumina nahtlos in die Topographie des Hanges einfügen ließen. Ein Parallelepiped definiert sich durch zwölf Kanten, von denen je vier parallel verlaufen und untereinander gleich lang sind. Dazu hat es acht Ecken, in denen diese Kanten in maximal drei verschiedenen Winkeln zueinander zusammenlaufen. Was in Worte gefasst recht kompliziert klingt, spiegelt sich in gebauter Form in dem Anschmiegen der Architektur an den Hang wider. Sichtbar wird dieses Element von außen nur im Bereich der in Cortenstahl ausgeführten Terrassen auf der untersten Ebene.

Denn die zwei Häuser sind in Wahrheit nur ein Haus, unsichtbar durch eine unterirdisch platzierte Ebene verbunden. Gleich der Spitze eines Eisbergs ragen die drei oberirdischen Elemente zurückhaltend aus der Erde, während sich ein bedeutender Teil des Raumprogramms unter der Grasnarbe wiederfindet. Dabei handelt es sich aber keinesfalls um ein düsteres Kellerloch. Zwei große Lichtschächte, die in teilweise unterirdisch positionierte Terrassen in Südlage übergehen, holen viel Tageslicht in die offen gestalteten Räume. Das Eingraben der Terrassen garantiert zudem einen Sicht- und Windschutz für die Benutzer.

 

deux maisons / Zwei Häuser Lens, Schweiz

 

Die beiden oberirdisch gelegenen Baukörper sind in ihrer Struktur komplett in dunkelgrauem Sichtbeton ausgeführt. Das Rohe und Unbehandelte der Fassade steht in spannungsvollem Kontrast zu den großen, minimal unterteilten Fensterflächen, in denen sich Himmel und Bergwelt je nach Witterung und Tageszeit mehr oder weniger detailliert widerspiegeln. Während der Beton den mineralischen Charakter der Umgebung repräsentiert, finden sich in den verwitterten Cortenstahl-Verkleidungselementen Anklänge an das Erdreich wieder und geben so einen kleinen Hinweis darauf, was sich unter der Erde wohl verbergen mag.

Ein dritter Baukörper, etwas abseits gelegen und komplett in Cortenstahl gehüllt, markiert den Zugang zum Gebäude. Hier befindet sich ein Autoaufzug, der die Parkgarage auf der untersten Ebene mit dem Straßenniveau verbindet. Ohnehin verbirgt sich hinter der scheinbaren Schlichtheit des Äußeren eine komplexe und wohldurchdachte Innenarchitektur. Durch verschiedene Ebenen und Bereiche von doppelter Raumhöhe ergeben sich je nach Blickpunkt überraschende Raumeindrücke. Die geometrischen, schlichten Formen verleihen dem Innenraum einen sakralen, musealen Eindruck – dennoch wirken die Räume einladend und wohnlich. Es ist, als würden sich Raum und Anmutung stetig widersprechen, doch liegt hierin gerade der Reiz und eben keine Irritation.

 

 

Die Gestaltung der Oberflächen im Innenraum führt den Gedanken der Außenhaut radikal fort, webt aber durch kleine Details und Nuancen ein dennoch wohnliches Bild. Im Gegensatz zum rauen Beton der Außenhaut sind die Sichtbetonoberflächen (Wände, Decken und Böden) im Inneren von einem helleren Grauton und mattglänzend geschliffen ausgeführt. Das verleiht dem eigentlich eher kalten und harten Material eine dennoch warme, samtige Anmutung und bietet somit den gelungenen Kontrast zu den mit Rohstahlblechen ausgekleideten Einrichtungselementen. In ihrer Gesamtheit sorgen die verwendeten Materialien für eine gewisse Einheit der Farbwelt, helle Holztöne setzen dazu passend Akzente. Durch diese Zurückhaltung rücken die großzügigen Fensteröffnungen umso mehr in den Fokus des Betrachters. Wie in einem Bilderrahmen wird der Ausblick in die Weite der Landschaft bewusst in Szene gesetzt.

 

deux maisons / Zwei Häuser Lens, Schweiz

 

Neben der Garage umfasst das Untergeschoss eine Werkstatt sowie einen Wellnessbereich und Fitness­raum, daneben einen Weinkeller und Gästezimmer. In den Wohntürmchen befinden sich die Privaträume sowie Küchen und Wohnzimmer der Besitzer. Technische Elemente sind ebenso wie die Kaminfeuer oder Beleuchtungsobjekte zurückhaltend und flächenbündig in die klare, männlich wirkende Kubatur integriert. Möbel und Kunstobjekte setzen farbige, verspielte Kontrastpunkte, weiche Teppiche in hellen Beigetönen sorgen für Gemütlichkeit. Die weibliche Note steht in einer solch ausgewogenen Balance zu der Männlichkeit des Gebäudes, dass sich bereits beim Betrachten der Bilder ein Gefühl des Zuhause-Angekommen-Seins einstellt. Man würde sich wünschen, eine so kompromisslose Einfachheit möge öfter so nonchalant daherkommen.

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deux maisons / Zwei Häuser
Lens, Schweiz

 Bauherr: Privat
Planung: savioz fabrizzi architectes
Mitarbeiter: Christian Lamon, Maria Iglesias
Statik: alpatec sa

Grundstücksfläche: 3.910 m2
Bebaute Fläche: 6.290 m2
Nutzfläche: 595 m2
Planungsbeginn: 01/2014
Bauzeit: 04/2015 – 05/2017
Fertigstellung: 06/2017

 

Text: Linda Pezzei
Fotos: Thomas Jantscher

 

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