Nachhaltiger Lückenschluss
Im Herzen des Amsterdamer Viertels IJburg galt es, das letzte freie Grundstück zu bebauen. Orange Architects wurden mit dieser Aufgabe betraut und komplettierten in dem künstlich angelegten Stadtteil mit dem Projekt Jonas das Areal direkt am Hafen. Der Wohnungsbau kombiniert 273 Wohnungen mit vielfältigen Gemeinschaftsflächen und einem nachhaltigen Gesamtkonzept. Doch das eigentliche Highlight zeigt sich erst im Inneren des Neubaus: ein spektakuläres, holzverkleidetes Atrium.
Im Herzen des Amsterdamer Viertels IJburg galt es, das letzte freie Grundstück zu bebauen. Orange Architects wurden mit dieser Aufgabe betraut und komplettierten in dem künstlich angelegten Stadtteil mit dem Projekt Jonas das Areal direkt am Hafen. Der Wohnungsbau kombiniert 273 Wohnungen mit vielfältigen Gemeinschaftsflächen und einem nachhaltigen Gesamtkonzept. Doch das eigentliche Highlight zeigt sich erst im Inneren des Neubaus: ein spektakuläres, holzverkleidetes Atrium.
Biblisches Vorbild
Das junge Viertel am Wasser befindet sich im Osten der niederländischen Hauptstadt. Es setzt sich aus mehreren Inseln zusammen, die im IJmeer aufgeschüttet wurden, und wächst seit den 1990er-Jahren kontinuierlich. Dabei entstehen in dem Stadtentwicklungsgebiet nicht nur dringend benötigter Wohnraum, sondern auch Infrastrukturflächen mit Platz für Bildung, Kultur und Gewerbe. Mit Jonas entwarf das lokale Planerteam einen langgezogenen Riegelbau, der die letzte verbliebene Lücke im Zentrum von IJburg schließt und voller Metaphern steckt. Seinen Namen erhält das Projekt in Anlehnung an die biblische Geschichte von Jona und dem Walfisch. Laut den Architekten solle es zum einen für das Abenteuer stehen und zum anderen eine geschützte, komfortable Atmosphäre kreieren. Gleichzeitig ging es darum, eine dem Genius Loci entsprechende Gestaltung zu finden, die das Wasser, den Kai und den Schiffbau miteinbezieht. Bei all diesen Überlegungen ist es wenig verwunderlich, dass sich das Gebäude deutlich von seiner Umgebung abhebt. Während es von außen mit seiner dunklen Blechhaut tatsächlich an einen großen Meeresbewohner erinnert, warten im Inneren diverse räumliche Finessen.
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Geschickt integriert
Ein rautenförmiger Grundriss verleiht dem Wohnungsbau eine mäandernde Gestalt. Die Fassaden sind zwar streng gerastert, die großen Lochfenster sorgen mit unterschiedlichen Maßen aber für ein wenig Auflockerung. Profile aus vorpatiniertem Zink komplettieren die Gebäudehülle. Die Ansichten sind – speziell an den Ecken – vom Boden abgehoben und lassen durch die aufgeständerte Sockelzone immer wieder Blicke nach drinnen zu. An einer der Längsseiten wird das Volumen außerdem von einer Zäsur geprägt, die Einblicke in den Innenhof gewährt. Durch seine Lage auf einer schmalen Landzunge öffnet sich der Neubau auf drei Seiten zum Wasser hin. Die Erschließung erfolgt aus südlicher Richtung. Ein öffentlicher Vorplatz soll hier die Bewohner empfangen und als Anlaufpunkt für die gesamte Nachbarschaft fungieren. Ein hölzerner Pavillon mit Tribüne – unter dem sich zugleich die Einfahrt zur Tiefgarage versteckt – lädt zu Veranstaltungen im Freien ein, im Sommer spenden Bäume Schatten und Sitzstufen am Wasser verwandeln den Außenbereich in einen kleinen Stadtstrand.
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Von der Natur inspiriert
In Jonas warten nicht nur 190 Mietwohnungen und 83 Eigentumsobjekte in verschiedenen Größen auf ihre Bewohner, sondern auch jede Menge Überraschungen. Inspiriert von der Fertigung traditioneller Holzschiffe, bildet die Tragstruktur des Holzskelettbaus das Grundgerüst für das Raumkonzept. Das Ergebnis ist eine abstrakte Landschaft, die sich durch das gesamte Gebäude zieht. Im Erdgeschoss findet man sich beim Betreten direkt in einem großen Gemeinschaftsraum wieder, den die Architekten selbst als Wohnzimmer bezeichnen. Rundum in Holzpaneele gekleidet, führt es weiter in den „Canyon“ – ein gebäudehohes Atrium. Als zentraler Erschließungsraum durchschneidet es den Bau in Längsrichtung. Die spektakuläre Schlucht ist mit Holzlatten ausgeführt und wird von oben belichtet. Hinter den Holzlamellen verstecken sich rundum die Gänge der oberen Etagen. Über eine lange Rampe gelangt man bis auf die gemeinschaftlich genutzte Dachterrasse, den sogenannten „Strand“. Grün bepflanzt und mit einer Bar ausgestattet, lädt er Mieter, Eigentümer und Besucher mit einer entspannten Atmosphäre nach draußen ein. Im Kern des hinteren Gebäudeteils befindet sich mit dem „Wald“ ein geschützter Patio mit hohen Bäumen. Er komplettiert die vielseitigen Landschaften von Jonas und bietet an heißen Tagen einen kühlen Rückzugsort.
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Innovatives Nutzungskonzept
Zum besonderen Alleinstellungsmerkmal des Projekts wird das dynamische, kollektive Programm, welches Orange Architects im Auftrag des Investors Amvest umsetzten. Neben den Wohneinheiten gibt es im öffentlich zugänglichen Sockelbereich sowohl kommerzielle als auch zahlreiche kommunale Flächen. Diese reichen vom Kino und Yogastudio bis hin zu Arbeitsräumen und flexibel buchbaren Gästezimmern. Sogar an ein hauseigenes Carsharing-Angebot wurde gedacht. Mit diesem innovativen Konzept will man das gesamte Viertel um ein einladendes Herzstück bereichern und zugleich den sozialen Zusammenhalt stärken.
Nachhaltigkeit auf ganzer Linie
Neben sozialer Nachhaltigkeit spielte auch die ökologische Komponente eine wichtige Rolle. Bei der Auswahl der Materialien achteten die Planer auf deren CO2-Fußabdruck und Regionalität. So reduzierte man die Rohstoffmenge und entschied sich z.B. für Beton mit 25 % Recyclinganteil sowie europäisches Douglasienholz. Darüber hinaus kombiniert das Null-Energie-Gebäude mehrere ressourcenschonende Systeme, die ihm zu einem BREEAM-Outstanding-Zertifikat verhalfen. 850 Photovoltaik-Paneele auf dem Dach versorgen unter anderem die Haustechnikanlagen und die Beleuchtung mit Strom. Geheizt wird mittels Fernwärme über den Fußbodenaufbau. Zusätzlich setzt man mit Meerwasserkühlung auf eine thermische Energiequelle. Ein im Keller integrierter Regenwassertank liefert Wasser für die Toilettenspülungen in den öffentlichen Funktionen im Erdgeschoss. Auf der Dachterrasse bedeckt eine bewegte Wasserschicht das verglaste Oberlicht des Atriums. So wird das Glas im Sommer vor Überhitzung geschützt und der Außenraum außerdem um ein gestalterisches Element bereichert. Fauna und Flora bezogen die holländischen Architekten ebenfalls in die Planung mit ein: Heimische Vegetation und Muschelbänke sollen die Biodiversität fördern und die Wasserqualität verbessern. Eine eigene Mauer für Uferschwalben schafft Nist- und Brutplätze für die heimische Vogelart und macht den Wohnungsbau Jonas in IJburg künftig nicht nur für Menschen, sondern auch für Tiere zum urbanen Refugium.
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Jonas
IJburg, Amsterdam
Bauherr: Amvest
Planung: Orange Architects
Statik: ABT
Landschaftsplanung: Felixx Landscape Architects
Weitere Fachplanung: Bureau Stadsnatuur, Pubblik&Vos, Site Urban Development, JMJ Bouwmanagement, Floor Ziegler, SmitsRinsma
Bebaute Fläche: 3.948 m2
Nutzfläche: 18.700 m2
Planungsbeginn: Jan. 2017
Bauzeit: 3 Jahre
Fertigstellung: Dez. 2022
Text: Edina Obermoser
Fotos: Sebastian van Damme, Emile Hoens via Flare Department