Alte Knochen, junges Blut
Für die tschechische Stadt Nová Paka hat das Team von atakarchitekti im Zuge einer geplanten Gesamtsanierung einer historischen Bildungseinrichtung im Zentrum des Ortes mit der ersten Phase einen bestehenden, niedrigschwellig zugänglichen Jugendclub neu konzipiert. Den Rahmen bildet ein im Jahr 1721 erbautes und 1889 im Stil der Neorenaissance adaptiertes Bestandsgebäude.
Für die tschechische Stadt Nová Paka hat das Team von atakarchitekti im Zuge einer geplanten Gesamtsanierung einer historischen Bildungseinrichtung im Zentrum des Ortes mit der ersten Phase einen bestehenden, niedrigschwellig zugänglichen Jugendclub neu konzipiert. Den Rahmen bildet ein im Jahr 1721 erbautes und 1889 im Stil der Neorenaissance adaptiertes Bestandsgebäude.
Auf halber Strecke zwischen Hradec Králové – zu deutsch Königgrätz – und Liberec oder Reichenberg befindet sich nordöstlich der tschechischen Hauptstadt Prag Nová Paka. Gut 9.000 Einwohner leben in der kleinen Stadt, die bereits 1357 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Damals trat ein neuer Priester in der St.-Nikolaus-Kirche sein Amt an. Im Zuge der Entwicklung des Ortes war 1721 an der Südseite der sehenswerten Pfarrkirche ein Schulhaus samt städtischer Saline und Krankenhaus errichtet worden. Mit den wechselnden Anforderungen an die Kapazitäten und Nutzungen wandelte sich dessen Aussehen im Laufe der Zeit kontinuierlich, bis das Gebäude 1889 nach dem Entwurf des lokalen Architekten und Bauunternehmers Jaroslav Bret sein heutiges Aussehen im Stil der Neorenaissance erhielt.
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Nachdem die Stadt eine Gesamtsanierung des baufällig gewordenen historischen Bauwerks beschlossen hatte, widmeten sich atakarchitekti in der ersten Phase der schrittweisen Renovierung und Neugestaltung des bestehenden, niedrigschwellig zugänglichen Clubs für von sozialer Ausgrenzung bedrohte Kinder und Jugendliche. Zuletzt war die Einrichtung vorübergehend in den oberen Etagen untergebracht, während das Untergeschoss aufgrund seines schlechten Zustands ungenutzt blieb. Ziel der Maßnahmen ist, dass letztlich fast das gesamte Haus an die Kinder zurückgegeben werden kann: Neben dem Club wird das Gebäude auch eine Zweigstelle eines Kinderheimes, Räume für Vereine und eine kleine Gewerbefläche im Erdgeschoss mit Blick auf den Masaryk-Platz beherbergen.
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Da sich der Jugendclub in einem renovierten Untergeschoss und einem alten einstöckigen Anbau in der Mikulášská-Straße befindet, waren für die unterirdische Erweiterung in unmittelbarer Nähe der Pfarrkirche umfassende Erdarbeiten erforderlich. Diese Aufgabe erforderte besondere Sorgfalt, da das Fundament des benachbarten Kulturdenkmals nicht bekannt, es aber anzunehmen war, dass sich in der Nähe einmal ein Friedhof befunden hatte. Tatsächlich legten archäologische Untersuchungen ein seit mindestens 400 Jahren verschüttetes Friedhofsgelände offen, sodass etwa 250 in mehreren Schichten vergrabene Skelettreste identifiziert, dokumentiert und geborgen werden mussten. Mit Abschluss der Ausgrabungsarbeiten sollen sie in einem unterirdischen Gewölbe ihre letzte Ruhestätte finden.
Die aktuellen Nutzer stehen hingegen mit beiden Beinen fest im Leben. Damit alle einheimischen Kinder zwischen acht und 20 Jahren unabhängig ihres sozialen Backgrounds oder finanzieller Möglichkeiten die gleichen Zukunftschancen haben, bietet der Jugendclub den Rahmen, die Freizeit sicher zu verbringen, sowie gezielte Hilfe und Unterstützung bei der Bewältigung von Lebenssituationen, welche die jungen Menschen überfordern. Bis zu 15 Kinder und Jugendliche finden vor Ort ein sicheres und geschütztes Umfeld samt individueller Betreuung. Dabei spielt auch die Gestaltung der Räumlichkeiten eine entscheidende Rolle.
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Die Besucher gelangen über eine seitlich des bestehenden Gebäudes verlaufende Rampe hinab zum neuen Eingang an der Nordseite des Hauses. Ein separat zugänglicher Aufzug im Bestand wurde für die zweite Phase bereits vorgesehen. An dieser Stelle geht die Außenrampe in einen unterirdischen Korridor über, der sich an der Wand entlang in den Anbau erstreckt und in einem Foyer mit Garderobe endet. Ein Besprechungszimmer, ein Büro mit Personalräumen und Toiletten grenzen an diesen zentralen Bereich. Der unterirdische Korridor führt weiter an einem gläsernen Atrium vorbei – überraschend setzt ein Oberlicht den sonst eher dunklen Raum in Szene –, schlängelt sich um einen kleinen Bereich mit Umkleidekabinen und endet in einem großzügigen Clubraum mit Fenstern zur Straße hin. In Kombination mit der grafischen Wandgestaltung entsteht so von Beginn an eine positive Atmosphäre.
Das Clubhaus an sich umfasst eine Computerecke, einen Kreativ- und Spielbereich mit einer Kletterwand sowie einen Ruheraum im gläsernen Atrium. Ein Rundgang schließt an den Korridor an und führt am Besprechungszimmer und den Umkleiden vorbei wieder zurück zum Ausgangspunkt. Die Toiletten, technischen Einrichtungen sowie ein Keller und ein gewölbter Korridor, der als Verbindung zum künftigen Aufzug dient, befinden sich hingegen im Bestandsgebäude. Runde Formen, helles Holz und verspielte Akzente machen den Club zu einem altersgerechten Rückzugsort, an dem Architektur und Design den angemessenen Rahmen bilden.
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Der erste Bauabschnitt umfasste auch die Rückgewinnung des öffentlichen Raums zwischen der ehemaligen Schule und der Kirche, von dem aus der Neorenaissance-Bau betreten wird: So wurde der Haupteingang durch eine halbrunde Öffnung ähnlich einem umgekehrten Torbogen in der Steinmauer hervorgehoben und damit ein gepflasterter Treffpunkt vor der segmentförmigen, von Rampen flankierten Sandsteintreppe geschaffen. Diese führen zum Flachbau im Zentrum und zum erhöhten Parterre zwischen den Gebäuden. Das neu zugängliche und begrünte gemeinsame Obergeschoss wurde zu einem öffentlichen Mikro-Raum mit begrüntem Dachgarten, einem Pavillon und einer Bank aus Beton.
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Nízkoprahový klub
Nová Paka, Tschechische Republik
Bauherr: Stadt Nová Paka
Planung: atakarchitekti
Mitarbeiter: Jana Janďourková Medlíková. Jiří Janďourek
Statik: Ing. arch. Jana Janďourková Medlíková
BGF: 305 m2
Nutzfläche: 219 m2
Baubeginn: 2016
Bauzeit: 2020 – 2021
Fertigstellung: 2021
Text: Linda Pezzei
Fotos: Upreal Vision, Martin Zicha