Schularchitektur: Holz als Material der Moderne
Architekten stellen sich bei Schul- und Bildungsbauten immer öfter die Frage: Unter welchen bautechnischen und gestalterischen Voraussetzungen ist ein Gebäude „schülergerecht“? Nicht nur die Form und Farbgebung, sondern gleichermaßen die Materialien spielen hier eine wichtige Rolle.
Architekten stellen sich bei Schul- und Bildungsbauten immer öfter die Frage: Unter welchen bautechnischen und gestalterischen Voraussetzungen ist ein Gebäude „schülergerecht“? Nicht nur die Form und Farbgebung, sondern gleichermaßen die Materialien spielen hier eine wichtige Rolle.
Groupe Scolaire à Strega
© Stéphane Aboudaram | WE ARE CONTENT(S)
Es stehen bei Schulgebäuden nämlich längst nicht mehr die Funktionalität mitsamt praktischen Aspekten im Vordergrund. Eine Bildungseinrichtung muss auch einladend und sympathisch wirken – denn nur so kann sie kreative Prozesse anregen und das gemeinschaftliche Lernen fördern. Und dafür eignen sich bestimmte Baustoffe besonders gut. Holz ist diesbezüglich auf dem Vormarsch. Denn das Material wird generell als warm und einladend wahrgenommen. Das ökologische Baumaterial erlebt heute vor allem auch wegen seiner Vielschichtigkeit eine Wiedergeburt. Immer mehr Architekten setzen dieses zur Gestaltung des Mobiliars, der Wände und Fassaden sowie bei Treppengeländern ein. Es ist daher wenig verwunderlich, dass der Baustoff mittlerweile in modernen Schulen immer öfter anzutreffen ist.
Bildungsarchitektur für den ökologischen Fußabdruck
Die Bauweise mit Holz ist keinesfalls eine neue Erfindung. Ganz im Gegenteil: Holzarchitektur hat eine lange Tradition – vor allem beim Realisieren von Privatbauten war das erneuerbare Material noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine häufige Wahl. Zur damaligen Zeit stand es für Tradition, wobei es insbesondere den ländlichen Raum dominierte.
In der modernen Architektur trat Holz jedoch stark in den Hintergrund – so wurde dieses als zu wenig stabil und haltbar abgestempelt. Aus Städten wurde es aufgrund seiner Brennbarkeit nahezu ganz verbannt – es wich dort vor allem massiven Baustoffen wie Beton, Stahl und Glas. Seit den 1990er-Jahren ist die Holzarchitektur allerdings wieder stark im Kommen. Immer mehr Planer und Bauherren erkennen die Vorteile des Materials. Dies gilt ebenso für die Bildungsarchitektur.
Mittlerweile ist bekannt, dass die erwähnten Vorurteile gegen Holz unbegründet oder – aufgrund moderner Technologien – nicht mehr aktuell sind. Vielmehr bringt der Baustoff zahlreiche wünschenswerte Eigenschaften mit sich. So ist es tragfähig, leicht, gewährleistet ein gutes Raumklima und lässt eine warme Architektursprache zu. Für Schulen, die von einem einladenden, freundlichen Design profitieren, stellt Holz also eine gute Wahl dar.
Nicht zuletzt ist das Material ökologisch. Dieser Aspekt erweist sich vor allem für die Baubranche als bedeutend – denn in so gut wie keiner anderen Sparte werden so viele Ressourcen verbraucht. Auch beim Umbau von Gebäuden oder beim Abriss entstehen große Mengen an Abfall. Mit einem erneuerbaren Baustoff wie Holz ist es möglich, der negativen Energiebilanz in jenem Sektor gegenzusteuern. Das Material bindet Kohlendioxid, wobei bei dessen Verarbeitung weniger fossile Brennstoffe verbraucht werden.
Groupe Scolaire à Strega
© Stéphane Aboudaram | WE ARE CONTENT(S)
Ein nachhaltiger Baustoff macht Schule
Geht es um Vielseitigkeit, hat Holz im Vergleich zu anderen Baustoffen die Nase vorne – dabei ist die Wandelbarkeit des Materials einer seiner wohl größten Vorteile für die Baubranche. So harmoniert es mit etlichen Baustoffen und fügt sich harmonisch in das Ortsbild ein. Diesen Aspekt machte sich das Team von Amelia Tavella Architectes mit dem 2018 realisierten Projekt Groupe Scolaire à Strega zunutze. Holz ist bei diesem Schulbau im Dorf Sainte-Marie-Sicche das prominente Baumaterial, wobei es hier für Harmonie und den Einklang mit der Umwelt steht. Und stimmig wirkt das Gebäude allemal. Auf einem Feld, von Bäumen umringt, stellt es mit seiner hellen, hölzernen Fassade eine Ode an die Natur dar. Das leicht abfallende, geradlinige und trotzdem intime Design strahlt Wärme aus und richtet sich an die Bedürfnisse der Kinder. Die Innenräume sind weitläufig und über ein Gemeinschaftsareal miteinander verbunden. Durch ihre offene Gestaltung lassen sie eine vielseitige Nutzung zu – damit sind ideale Voraussetzungen für eine kreative Lernumgebung gegeben.
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The New Evjen School
© Gerhardsen Karlsen
The New Evjen School in Orkanger in Norwegen, ist ein weiteres Beispiel für die Wandel- und Anpassungsfähigkeit von Holz. Das 2018 realisierte Projekt von Pir II überzeugt durch eine simple und trotzdem verspielte Architektur. Mit ebendieser Kombination glänzt bereits die Fassade des Bildungsbaus. Die Fichtenverkleidung setzt sich aus bunten und naturbelassenen Elementen zusammen. Je nach Betrachtungswinkel, kommen andere Farbtöne zum Vorschein. Die Architekten erzeugten so mit simplen Mitteln Vielschichtigkeit.
Doch nicht nur die Farbwahl der Außengestaltung verleiht dem Gebäude seine Einzigartigkeit. Bemerkenswert ist auch sein Innenleben – so besteht die tragende Konstruktion vollständig aus Holz. Den Planern von Pir II war es nämlich ein Anliegen, den ökologischen Fußabdruck beim Realisieren der Schule so gering wie möglich zu halten. Bereits beim Bau erwies sich diese Entscheidung als vorteilhaft. Denn die Bauarbeiter begrüßten nach anfänglichem Zögern die Tatsache, dass sie mit nur einem Material arbeiten mussten. Holz kann in der Architektur also nicht nur als Designelement dienen, sondern auch eine tragende Rolle einnehmen.
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The New Evjen School
© Gerhardsen Karlsen
Ein traditionelles Material der Zukunft
Bauwerke aus Holz stehen heute für Innovation und Vielseitigkeit. Deutlich macht dies die 2017 errichtete Akademeia High School in Warschau, Polen. Das Schulgebäude wurde von der Medusagroup im Hinblick auf die Bedürfnisse der Schüler entworfen. Besondere Aufmerksamkeit legte das Team des Architekturbüros auf die Gestaltung des Schulhofes. Dieser fungiert als Treffpunkt sowie Unterrichtsort zugleich, womit sich dort kreative Schulstunden im Freien abhalten lassen. Herzstück und Begrenzung des Hofs ist die Tribüne mit ihren Holzbänken. Letztere laden einerseits zum Verweilen ein und sind andererseits ein Ort des Fokussierens.
Akademeia High School
© Juliusz Sokolowscy
In den Innenräumen findet sich eine Mischung aus puristischem Beton und rot- bis hellbraunen Holzelementen. In Kombination mit einer minimalistischen Gestaltung und klaren Linien sind ideale Bedingungen für Konzentration und zwischenmenschlichen Austausch geschaffen. Wandzeichnungen und buntes Mobiliar lockern die Einrichtung auf und sorgen für eine einladende, schülergerechte Atmosphäre. Das Ergebnis kann sich auf jeden Fall sehen lassen. Denn die Akademeia High School ist eine angesehene Ausbildungsstätte, welche die Schüler auf das Studium in einer anerkannten Universität wie Oxford oder Stanford vorbereiten soll.
Akademeia High School
© Juliusz Sokolowscy
Materialien und Farben können nicht nur die Konzentrationsfähigkeit fördern, sondern auch zum Spielen anregen. Beim Projekt The „Simone Veil‘s“ Group of Schools wählten Dominique Coulon & Associés in puncto Holz einen besonders kreativen Ansatz. Die 2015 erbaute Schule mit ihrem naturnahen und trotzdem modernen Aussehen, ist ein strukturierendes Element in der ökologisch-basierten Siedlung in Colombes, Frankreich. Dabei hebt sich das Gebäude durch seine einzigartige, farbenfrohe Gestaltung von der umliegenden Bebauung ab, ohne penetrant zu wirken – Orange und Pink sind sowohl im Außen- als auch im Innenbereich die dominierenden Farben. Naturbelassenes Holz und graue Betonelemente erden den Bau und schaffen einen ruhigen Ausgleich zur Farbenpracht. Ihren Einfallsreichtum brachten die Architekten beim Entwurf der Fassade und beim Gestalten der Zimmerdecken gekonnt zum Ausdruck. Letztere sind in unterschiedlichen Höhen gehalten, mit verspielten Lichtelementen und vereinzelt sogar mit unbearbeiteten Holzplanken versehen.
Das sogenannte „fröhliche Chaos“ soll Kinder nicht nur zum Lernen, sondern auch zum Toben anspornen. Die Architekten wollen mit ihrem Schulgebäude den Spagat zwischen Produktivität und Freizeit schaffen – ein Vorhaben, das ihnen durchaus gelungen ist.
The „Simone Veil‘s“ Group of Schools
© Eugeni Pons
Holz ist in der Architektur also zweifelsohne auf dem Vormarsch. Während das Material bisher in Städten selten anzutreffen war, erlebt es heute auch bei öffentlichen Bauten seine Renaissance. Neue Schulgebäude weisen immer häufiger Elemente aus dem erneuerbaren Baustoff auf. Denn Holz erweist sich dort als vielseitig und wandelbar. Die vorgestellten Beispiele verdeutlichen, wie das Material auch die Gestaltung kreativer Lernlandschaften fördern kann.
Text: Dolores Stuttner